Welt/Bühne Salon

Heute: Zur schönen Aussicht, 19.30 Uhr

Wir trauern um

Michael Gempart

21. April 1934 - 10. März 2023

Michaels bübische Neugierde und seine hemmungslose Hingabe in den Proben, der schamlose Stolz, mit dem er auch die tiefsten Abgründe seiner Figuren erfüllte und seine immer neue, nicht enden wollende Schwärmerei und Verliebtheit auch in neueste Autor*innen und Regisseur*innen, hat mich, seit wir uns kennengelernt hatten, fasziniert. Vom Sehen kannte ich ihn schon lange. Kein Bühnenabenteuer zu gewagt, keine Rolle zu groß oder zu klein. Er war ein hingebungsvoller Schauspieler, ein Divo (würden die Italiener*innen ihn heißen), ein alles probierender, alles wissen und erkunden wollender ewiger Jungsporn.

An das Schauspielhaus Wien konnte ich ihn erstmals 2011 engagieren – und mir war immer bewusst, dass er niemals Dünkel haben würde, von der Burg an das so viel kleinere Haus zu wechseln. Er spielte mit uns wiederholt in Basel und zuletzt auch wieder in München, seiner Wahlheimat. Seine Darstellung des Geists von Hamlets Vater, nackt, stumm gestikulierend und mit einem leeren Umzugskarton hantierend, war eine der rührendsten Darstellungen dieser Szene, und erscheint mir jetzt, wo Michaels Kraft zu Ende ging und er - wie es nur er kann – entschwebt ist, wieder und wieder vor meinem geistigen Auge. Diese Szene war in ihrer kompromisslosen und einfachen, unprüden und kindlich verspielten Charakterdarstellung ein Meisterstück und ganz typisch für seine Kunst, wie sie nur Michael Gempart verkörpern konnte.

Ich werde ihn nicht vergessen und stets in großer Dankbarkeit an ihn denken. 

Andreas Beck 

Wir sind ein Chor

Guillermo Calderón ist einer der wichtigsten zeitgenössischen Theatermacher*innen Chiles. Im Auftrag des Residenztheaters hat er «Bavaria» geschrieben: Ein Stück über einen Chor, der nach Südamerika auswandern will. Wie und warum aber eigentlich, wird auf einer Probe heiß diskutiert – und natürlich auch ausgiebig besungen. Die Uraufführung im Marstall inszeniert der Autor selbst.

DEM VERLUST RAUM GEBEN

Die Dramatikerin Magdalena Schrefel erfindet in ihrem Stück «Archiv der Tränen», einem Auftragswerk für das Residenztheater, einen ganz besonderen Ort. Im Gespräch mit dem Dramaturgen Ewald Palmetshofer erzählt sie vom Theater als Raum geteilter Erfahrungen und dem Salz der Tränen.

Verschiebung des Blickwinkels

Mateja Koležnik verwebt in ihrer Bearbeitung von «Antigone» die antike Tragödie von Sophokles mit Slavoj Žižeks «Die drei Leben der Antigone». Dabei erzählt sie die Geschichte aus zwei unterschiedlichen Perspektiven und zeigt «Antigone» als Familienepos und Politthriller.

Der slowenische Philosoph über «Antigone» als ethisch-politische Übung und Mateja Koležnik im Gespräch mit Dramaturgin Constanze Kargl. 

Eingeladen zum Berliner Theatertreffen

Regisseur Philipp Stölzl vertraut ganz auf die Erzählung und das erstklassige Ensemble des Residenztheaters. Der siebenstündige Bühnen-Marathon zeigt nicht zuletzt: Theater ist immer noch besser als Netflix.

(Statement der Jury)

«Das Vermächtnis (The Inheritance)» von Matthew Lopez in der Inszenierung von Philipp Stölzl ist zum Berliner Theatertreffen 2023 als eine der zehn bemerkenswertesten Inszenierungen in der deutschsprachigen Theaterszene eingeladen.

Herzlichen Glückwunsch an alle Beteiligten!

Kunst kommt von Können

Die preisgekrönte Regisseurin Claudia Bauer bringt mit «Valentiniade. Sportliches Singspiel mit allen Mitteln» den «Wortzerklauberer» Karl Valentin auf die Bühne.

Dramaturgin Constanze Kargl hat sich mit ihr über diese Arbeit unterhalten. 

Und Autor Michel Decar schreibt über einen, der stets alles in Frage stellte. 

«DAS KÄTHCHEN VON HEILBRONN»

Hört nur, hört! Es ist die wunderlichste Geschichte von der Welt!

Hausregisseurin Elsa-Sophie Jach, die am Residenztheater zuletzt Goethes «Werther» inszenierte, bringt Heinrich von Kleists großes Ritterschauspiel «Das Käthchen von Heilbronn» auf die Bühne des Cuvilliéstheaters.

Für sie ist Käthchen das Alter Ego ihres Schöpfers. Über ihre Entscheidung, Heinrich von Kleist auftreten und in der Rolle des Autors das Käthchen spielen zu lassen und vieles mehr, spricht die Regisseurin mit Dramaturg Michael Billenkamp.

Who the f**k is Platonow?

Platonow ist die Hauptfigur eines Stücks, das Tschechow vermutlich als Schüler schrieb. Wie in seinen ganz großen Bühnenhits («Drei Schwestern», «Der Kirschgarten») erzählt er von Gästen auf einem hochverschuldeten Landsitz, die sich darüber im Klaren sind, dass der Luxus eines goldenen Zeitalters zu Ende geht. Bei Thom Luz ist das Fragment Ausgangsmaterial eines musikalischen Sittenbilds, das Tschechows Poesie des Stillstands im Geiste von Samuel Becketts absurder Komik weiterdenkt.

Dramaturgin Katrin Michaels über «Warten auf Platonow»

Teil eines Lebensnetzes

Über einen Unternehmer, der sich selbst-enteignet, pragmatische Ansätze und konkrete Utopien. Ein Gespräch mit Kevin Rittberger zur Uraufführung seines Stückes «Der Entrepreneur».

DARF GEWALT AUF GEWALT FOLGEN?

«Es ist ein Werk von außerordentlicher Ausdruckskraft, chaotisch in seiner Schönheit und von einer Unwillkürlichkeit, die ich als dichterisch empfinde.» (Thomas Mann)

«Der Turm» sprengte konventionelle Dramenkriterien und gilt als zentrales Werk Hugo von Hofmannsthals. Der österreichische Schriftsteller ließ sich für «Der Turm» von Pedro Calderón de la Barcas barockem Versepos «Das Leben ein Traum» inspirieren. Vor dem Hintergrund der weltpolitischen Erschütterungen des Ersten Weltkriegs stellt Hofmannsthal die prinzipielle Legitimität von Machtausübung infrage und zeigt «den Einbruch chaotischer Kräfte in eine vom Geist nicht mehr getragene Ordnung».

Hausregisseurin Nora Schlocker im Gespräch mit Dramaturgin Constanze Kargl

DAS LINKE INTELLEKTUELLE GEWISSEN DER USA

Mit der Uraufführung von «Engel in Amerika» im Jahr 1991 in San Francisco wurde der New Yorker Dramatiker Tony Kushner schlagartig berühmt. Chefdramaturgin Almut Wagner über seine immerwährende Arbeit an diesem Stück, das ihm keine Ruhe ließ. 

Auf welcher Seite wir stehen

Am 17. November zeigt das Residenztheater zum letzten Mal im Marstall das dokumentarische Stück «Urteile (revisited) – Nach dem Prozess» über die Opfer des NSU in München, am 20. November ist es ein allerletztes Mal als Gastspiel in Stuttgart beim Festival Made in Germany zu sehen.

Am 19. November hat mit «Die Ereignisse» ein Stück des schottischen Dramatikers David Greig im Marstall Premiere, das den inhaltlichen Faden von «Urteile» aufnimmt und wie dieses die verheerenden psychischen und gesellschaftlichen Verwerfungen, die rechtsradikale Anschläge bei Opfern und Zeug*innen auslösen, thematisiert.