RESI LIEST LIVE: INTERNAT
von Serhij Zhadan
Aus dem Ukrainischen von Juri Durkot und Sabine Stöhr

© Suhrkamp Verlag Berlin 2018

Einführung von Dr. Dagmar Leupold | preisgekrönte Schriftstellerin und Übersetzerin, Mitglied des P.E.N. und des VS 

Die Lesung wird live in der Mediathek gestreamt und steht im Anschluss 48 Stunden kostenfrei zur Verfügung.

 

Dauer: ca. 3 Stunden, inklusive 2 Pausen
 

«Was ändert der Krieg? Der Krieg ändert das Vokabular. Er bringt seine eigenen Wörter hervor. Sie klingen scharf und kalt, sie bezeichnen nie kriegsferne Dinge, obwohl sie ins zivile Leben eindringen und tiefe Spuren hinterlassen. Das Kriegsvokabular strömt in die Gespräche, wie Passagiere in die morgendlichen Terminals strömen. Du legst fremde Wörter an, rollst sie auf der Zunge hin und her, spürst den metallischen Nachgeschmack. […] Der Krieg ist wie Giftmüll im Fluss – er erreicht jeden, der in Flussnähe wohnt. Plötzlich finden sich unter deinen Bekannten Einberufene, Verwundete und Gefangene. Du gewöhnst dich daran, dass die Sprache um Wörter dieses schwarzen Vokabulars erweitert wird, um Dutzende neuer Wörter, von denen jedes einzelne nichts anderes als Tod bedeutet. Da der Tod viele Namen hat, müssen sich die Lebenden die Wörter wohl oder übel einprägen.»
© Serhij Zhadan

 

 

Aus Anlass des Ukrainekrieges lesen Ensemblemitglieder des Residenztheaters am Montag, den 7. März um 19 Uhr im Marstall aus Serhij Zhadans Roman «Internat», der aus heutiger Perspektive erschreckend visionär scheint. Als Theatermacher*innen können wir vor allem die Kraft der Sprache zur Verfügung stellen und so dem literarischen Denken einer der bedeutendsten ukrainischen Autor*innen und politischen Zeitzeug*innen Gehör verschaffen.

 

Der 1974 im Gebiet Luhansk geborene Autor Serhij Zhadan hat mit seinem Roman «Internat» 2014 auf beklemmende Weise über den Krieg im Donbass erzählt. Dabei schickt er seinen Helden auf eine dreitägige Reise durch die Hölle. Pascha, ein Lehrer Mitte dreißig, hat dafür eigentlich denkbar schlechte Voraussetzungen: Sowohl seine starke Kurzsichtigkeit als auch sein kaputter rechter Arm prädestinieren den zurückgezogenen, vom Leben enttäuschten Zivilisten nicht dazu, sich in den Wirren des ausbrechenden Krieges zurechtzufinden. Um seinen Neffen aus dem titelgebenden Internat, in dem dieser aufgrund der Kriegssituation nicht mehr sicher ist, nach Hause holen zu können, muss er sich größtenteils zu Fuß durch ein Kriegsgebiet kämpfen, in dem alle zivilisatorischen Errungenschaften außer Kraft gesetzt scheinen und der Tod wie die Toten allgegenwärtig sind. «Internat» ist eine apokalyptische, winterliche Odyssee aus Nebel und Schnee, die in atemlosem Rhythmus und metaphernreicher Sprache von der erschreckenden Wirklichkeit des Krieges berichtet.

 

Künstlerische Leitung

Dramaturgie Michael Billenkamp,  Constanze Kargl

Das könnte Ihnen auch gefallen