Auf welcher Seite wir stehen

Am 17. November zeigt das Residenztheater zum letzten Mal im Marstall das dokumentarische Stück «Urteile (revisited) – Nach dem Prozess» über die Opfer des NSU in München, am 20. November ist es ein allerletztes Mal als Gastspiel in Stuttgart beim Festival Made in Germany zu sehen.  

Am 19. November hat mit «Die Ereignisse» ein Stück des schottischen Dramatikers David Greig im Marstall Premiere, das den inhaltlichen Faden von «Urteile» aufnimmt und wie dieses die verheerenden psychischen und gesellschaftlichen Verwerfungen, die rechtsradikale Anschläge bei Opfern und Zeug*innen auslösen, thematisiert. Es ist kein Dokumentartheaterstück, sondern entspringt der Fantasie des Autors. Anlass, das Stück zu schreiben, war das 2011 in Oslo und Utøya verübte Attentat, dem 77 Menschen zum Opfer fielen – überwiegend Teilnehmer*innen einer sozialdemokratischen Jugendorganisation. Bei Greig ist es ein Gemeindechor, der Ziel eines Amoklaufs wird, eine Gemeinschaft, die unter Leitung der Seelsorgerin Claire sozial Benachteiligten und Immigrant*innen ein Zuhause bietet.

Die Ensemblemitglieder Evelyne Gugolz und Valentino Dalle Mura treffen bei jeder Aufführung auf einen anderen lokalen Laienchor und stellen sich gemeinsam den Fragen, die Greig in seinem Stück aufwirft. Der Chor nimmt dabei die Rolle eines gemeinschaftlichen Akteurs ein und ist zugleich Projektionsfläche. Die Chöre, die mitspielen und -singen sind sehr unterschiedlich. Neben festgelegten Liedern bringt jeder Chor auch sein eigenes Repertoire mit. Nach dem Bud Spenzer Heart Chor sind der Attac-Chor, die Giasingerinnen, der Sängerhort Freising und viele weitere zu erleben. So ist jeder Abend eine Premiere.

Was bedeutet den Sänger*innen das Mitsingen im Chor und das Chorleben – und die Beteiligung an einem so ungewöhnlichen Projekt wie «Die Ereignisse»? Wir haben bei den beteiligten Chören direkt nachgefragt und individuelle Stimmen gesammelt. Hier einige davon.

 

«Die Möglichkeit, mein politisches Engagement durch eine ganz besondere Ebene und Form zu erweitern.» - Henning

«Zusammenklang, der nicht immer Wohlklang sein muss.» - J. L.

«Gemeinsam singen beglückt mich; mit Menschen aus dem Viertel, die ich sonst gar nicht kennengelernt hätte, zusammen zu tönen, wie schön!» - Mari

«Durch das gemeinsame Singen entsteht Verbindung, Vertrauen und Selbstsicherheit. Der Chor ist ein wichtiger Teil in meinem Leben, gerade auch in schwierigen Zeiten.» - Therese

«Utøya war ein krasses ‚Ereignis‘, das einmal mehr gezeigt hat, wie wichtig der Kampf gegen Faschismus ist. Ich freue mich, dass wir Teil davon sind und zeigen können, auf welcher Seite wir stehen.» A. W.

 

Das Residenztheater wird sich weiterhin kontinuierlich mit den Ursprüngen und Auswirkungen rechtsradikaler Verbrechen beschäftigen. Die Recherchen zu dem dokumentarischen Stück «Die Spiele müssen weitergehen – München 1972», das ebenfalls auf dem Spielplan des Residenztheaters steht, haben vor Augen geführt, dass frühe Hinweise auf Mittäter aus dem rechten Spektrum nicht verfolgt wurden und das blutige Attentat auf Mitglieder der israelischen Olympiamannschaft vielleicht sogar hätte verhindert werden können.

Olympia, Utøya, NSU: Die verabscheuenswürdigen Ereignisse reißen nicht ab. Umso wichtiger ist es, niemals aufzuhören, diese und vor allem die Opfer in den Mittelpunkt unserer Theaterarbeit zu stellen.


Almut Wagner und Benedikt Ronge

 

PS: Wenn Sie Mitglied, im Vorstand oder die musikalische Leitung eines Chores sind – wir spielen auch gerne in Ihren Räumlichkeiten – melden Sie sich: resi.alle@resindenztheater.de.