Bessere Tage für das ugandische Theater

Ein Gespräch mit Asiimwe Deborah Kawe

Asiimwe Deborah Kawe ist eine der profiliertesten Dramatiker*innen Ugandas. Sie betont jedoch, dass sie alles dafür getan hat, um nicht auf der Theaterhochschule zu landen. Obwohl sie eine Leidenschaft für die Bühne hatte, verspürte sie nicht den Wunsch, diese Leidenschaft akademisch auszuleben. «Es galt beinahe als ein Makel und Versagen, Musik, Tanz und Schauspiel zu studieren.» Dass sie an der Makerere
University’s MDD [Department of Music, Dance and Drama] studierte, war nicht ihr Plan, sondern der ihrer beiden Lehrer im Fach Literatur, die den Eindruck hatten, dass das Theater Asiimwes Berufung sein könnte. Heute bereut sie es nicht, da sie das Studium an die Spitze des ugandischen Theaters gebracht hat, mit Stücken wie «Will Smith Lookalike», «Cooking Oil», «Forgotten World», «Appointment with gOD» und «Un-entitled». Asiimwe ist Kodirektorin des Festivals «in the recent past», das im Rahmen des Kampala International Theatre Festival stattfindet. Begeistert spricht sie darüber, welche Richtung das Theater in ihrem Heimatland einschlägt. Sie weiß, dass derzeit die Dinge nicht zum Besten stehen, aber sie sieht in dem, was sich gerade im Feld des Kuratierens, Schreibens und der Theaterproduktion tut, sich das Theater in Uganda auf bessere Zeiten vorbereitet.


Wie beschreibst du das Theater in Uganda?


Es ist in Bewegung; politisch, sozial und wirtschaftlich. Die Autor*innen schreiben über verschiedenste Themen, die Szene ist sehr lebendig. Es gibt noch nicht genug Regisseur*innen, da müssen wir uns mittelfristig verbessern. Ich habe mir die Einreichungen für das diesjährige Kampala International Theatre Festival angeschaut und fand sie vielversprechend. Das größte Problem, das wir in Uganda haben, sind fehlende Spielorte. Wir müssen darüber nachdenken, wo unsere Arbeiten gezeigt werden können, insbesondere sollten wir ungewöhnliche Theaterräume finden.

In einem Gespräch im Kolleg*innenkreis formulierte jemand, dass Uganda eine intellektuelle Wüste sei. Die Künste wären bevölkert von Nicht-Denkenden. Ich glaube, dass es nicht unbedingt von Nöten ist, dass die Ugander*innen sich mehr mit Theorie beschäftigen. Wenn ich mir neuere Arbeiten anschaue oder im direkten Kontakt mit Theaterleuten bin, ist mein Eindruck, dass sie etwas schreiben, das zum Denken anregt. Das ist die Generation, die müde ist, Dinge zu sehen, wie sie schon immer gemacht wurden. Sie sehnen sich nach einem Wandel. Das Gute ist, dass sie nicht lokal denken, sondern global.


Wie finanzieren sich die Theater in Uganda?


Das ist sehr kompliziert in Uganda; öffentliche Förderung gibt es praktisch nicht und Unternehmen, die sich im Bereich des Theaters engagieren, sind praktisch nicht vorhanden. Das betrifft nicht nur das Theater, sondern auch den gesamten Kunstbetrieb. Für sie ist Arbeit ausschließlich Geschäft. Wenn sie Geld investieren, erwarten sie Profite. Diese sehen sie nicht im Theater oder in der Kunst. Es liegt an uns, ihnen zu zeigen, dass eine Investition in uns nicht so riskant ist wie sie denken. Aber natürlich ist Theater ist auch immer ein Risiko. Wenn sich ein Unternehmen dazu entscheidet, eine Produktion zu sponsern, die kritische Untertöne hat, läuft es Gefahr, als Unterstützer der Opposition zu gelten. Wir haben von Fällen gehört, in denen Produktionen gestoppt wurden, weil sie als «gefährlich» eingestuft wurden. Für mein Stück «Cooking Oil» machte ich mich auf die Suche nach finanzieller Unterstützung. Als ich gefragt wurde, um was es im Stück ginge, wurde man skeptisch. Man meinte, das Thema sei zu kritisch für die Machthabenden im Land.
 

Wie hat sich die Rolle des Theaters über die letzten Jahre hinweg verändert?


Es gab eine Zeit, in der Dramatiker*innen hauptsächlich im Auftrag von NGOs geschrieben haben, weil diese über finanzielle Mittel verfügten. Diese Organisationen gaben Aufträge für Stücke über HIV, Malaria und andere Probleme, für deren Bekämpfung sie nach Uganda gekommen waren. Heute erzählen die Theaterleute von vielen unterschiedlichen Themen, egal ob sie dafür von jemandem bezahlt werden oder nicht.

 

Früher war eine populäre Form der Unterhaltung das Radiodrama. Heute gilt diese als ausgestorben – was ist passiert?


Der Markt ist gesättigt; früher war das Radiodrama die Hauptquelle der Unterhaltung. Heute konkurrieren viele andere Medien mit dem Radio – das Fernsehen, das Telefon und das  Internet. Zudem war die Gesellschaft früher sehr gemeinschaftlich organisiert – nun neigen wir dazu, uns vor allem mit uns selbst zu beschäftigen. Außerdem haben die Radiosender die Radiodramen durch Talkshows ersetzt. Darüber hinaus haben die Radiosender weniger Sendeplätze für Nichtkommerzielles. Sie versuchen etwas zu programmieren, das Geld einbringt. Sie können sich das Radiodrama nicht mehr leisten, es ist zu teuer – es ist wesentlich günstiger Musik zu senden als Schauspieler*innen, Regisseur*innen und Autor*innen zu engagieren, vor allem, wenn keine Einnahmen generiert werden.
 

Warum sollte die Welt auf das ugandische Theater blicken?


Uganda war stets ein Zentrum der Literatur. Ich hoffe, die Welt interessiert sich für die neue Generation von Schriftsteller*innen. Sie sind da und müssen entdeckt und gefördert werden. Diese Menschen schreiben unglaublich tolle Sachen. Das Hauptproblem ist, dass es kein System der Förderung gibt.
 

Du bist jetzt seit einigen Wochen in München für die Autor*innen-Residenz im Rahmen der «Welt/Bühne». Wie ist es für dich, in einer sehr fremden Umgebung zu schreiben?

 

Ich bin sehr dankbar für die wunderbare Gelegenheit, Zeit und Raum zu haben, um an meinem neuen Stück zu arbeiten, das seit 2019 in meinem Kopf ist. Zeit und Raum sind für mich die wichtigsten Ressourcen, auf die ich sonst nicht so leicht zugreifen kann. Ich genieße es, in neuen Umgebungen zu schreiben, weil ich denke, dass sich das Neue wissentlich oder unwissentlich auf die Art und Weise auswirkt, wie ich schreibe, wie ich Situationen wahrnehme, wie ich Worte und Sätze formuliere. Ich weiß auch, dass die Erfahrungen, die ich hier mache, mein zukünftiges Schreiben beeinflussen werden. Bis jetzt ist es also eine erstaunliche Zeit für mich. München ist eine sehr kunstaffine Stadt, es gibt so viel zu sehen, so viel zu beobachten, und die Architektur spricht mich wirklich an. Das Wetter ist meistens fantastisch, die Sonne hat eine magische Wirkung auf mich, sie erhellt meinen Geist und versetzt mich in eine glückliche, kreative Stimmung. In Kampala, wo ich arbeite und lebe, habe ich tausend Dinge zu tun: Ich bin Mutter eines Kindes, leite die Theatergruppe, die ich zusammen mit anderen Kolleg*innen gegründet habe, plane ein Theaterfestival und habe andere familiäre Verpflichtungen. Bei all dem bleibt mir nur ein Bruchteil meiner Zeit zum Schreiben.

 

Was war Deine Erwartungen an den Aufenthalt?


Meine erste und wichtigste Erwartung an mich selbst war, dass ich mit einem Entwurf dieses neuen Stücks nach Hause fahren kann, von dem ich überzeugt bin und den ich meinen Agenten und Theatern vorlegen kann. Und das ist mir gelungen. Ich kam nur mit einer Idee für dieses neue Stück her und jetzt habe ich eine fast fertige Fassung, die ich bereits zwei Mal mit Schauspieler*innen und der Dramaturgie des Resi-Ensembles überprüfen konnte.

 

Die Fragen stellten Andrew Mayiga Kaggwa und Almut Wagner.