BLUES IN SCHWARZ WEISS

Ein Gespräch mit der Regisseurin Miriam Ibrahim

 

Die afrodeutsche Dichterin, Aktivistin und Pädagogin May Ayim (1960-1996) ist bis heute, lange nach ihrem Tod, eine prägende Stimme der Schwarzen deutschen Literatur und wichtige Inspiratorin für nachfolgende Generationen. «blues in schwarz weiss» ist die erste Theaterproduktion, die sowohl May Ayims Poesie als auch ihre scharfe Gesellschaftskritik auf die Bühne bringt. Ein Auszug aus einem Gespräch mit der Regisseurin Miriam Ibrahim.

 

Wie und wann hast du May Ayims Werk kennenlernt?

An den genauen Zeitpunkt erinnere ich mich nicht mehr. Es müsste wohl so in der Zeit gewesen sein, als ich meinen ersten Laptop hatte und mehr mit anderen Schwarzen Deutschen Theaterschaffenden und Aktivist*innen in Kontakt kam. Und bei meinen ersten Besuchen in Berlin. Zwischen 2002 und 2005.

Was bedeutet es dir? Was hat es ausgelöst?

Die Schriften von May waren die ersten von einer Schwarzen Deutschen, die vieles in Worte fassten und beschrieben, was ich empfand oder auch ähnlich erlebt habe als Afrodeutsche, aber noch keine Sprache dafür hatte. Ich fühlte mich nicht alleine mit meinen Erfahrungen, Meinung und Gefühlen im Bezug auf Rassismus, auf Anti-Schwarzen Rassismus in Deutschland. Neben Mays Gedichten habe ich auch weitere Schriften von ihr gelesen und bin so auf weitere Autor*innen gestoßen, welche mir halfen, meinen eigenen Ausdruck zu finden, das Konstrukt Rassismus und dessen Verflechtung in unseren Leben und Geschichten zu verstehen und zu begreifen. Ich habe Stärke gefunden und gelernt, mich in Gemeinschaft zusammen zu tun, Communities zu bilden und sich gegenseitig zu unterstützen, inspirieren, Projekte zu starten und gemeinsam zu wachsen. Natürlich hat es auch viel Traurigkeit und Wut ausgelöst, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der damals sowie heute auch Hass und Ausgrenzung vorhanden sind und immer noch viel zu wenige Menschen verstehen, was Rassismus wirklich ist, wie er funktioniert, wirkt und verletzt. Dass er strukturell, institutionell und alltäglich wirkt und nicht nur wenn Radikale randalieren und eskalieren. Eine Form Widerstand zu leisten ist es, einfach zu leben und dies glücklich, zu sprechen, zu schreiben, die eigenen Geschichten zu erzählen, Liebe zu leben und die Hoffnung nicht zu verlieren.

Wie bist du bei dieser Produktion vorgegangen?

Uns war es wichtig, kein Lehrstück auf die Bühne zu bringen, sondern einen Eindruck zu vermitteln, wie Traumata in den Körper einwirken und welche Folgen und Emotionen sie mitbringen und hervorbringen können. In der ersten Probenphase lag der Fokus auf dem gemeinsamen Recherchieren: von Texten zum Thema Rassismus und Intersektionalität, zu May Ayim, zur afrodeutschen Geschichte; sowie intensive Körper und Bewegungsarbeit. Ich nenne es eine Art Körperlaboratorium, wo wir Emotionalitäten durch abstraktere Bewegungsmotive ausdrücken, welche uns eine neue Perspektive auf menschliches Verhalten und Beziehungen geben können. Fragen wie: Bin ich mein Körper, oder ist mein Körper ich? Wann bekommt ein Körper oder Gegenstand eine Bedeutung und wie kann sich diese verschieben und verändern? Wo sitzt welche Wut im Körper und wie kann sie Bewegungen steuern? Wie lange kann ein Körper eine bestimmte Emotion aushalten? Wie äußert sich Nicht-sprechen-können? etc. In der zweiten Phase vertieften wir den Fokus in die ausgewählten Gedichte von May Ayim und die Texte von Julienne De Muirier und stellten uns immer wieder die Fragen: Zu wem sprechen wir? Warum sprechen wir? Wie sprechen wir? Und wie verhält sich der Körper dazu und umgekehrt? In der dritten Phase bringen wir Schritt für Schritt alle Elemente der Theater­mittel (Video, Kostüm, Bühne, Musik etc.) zusammen und vertiefen und verfeinern die entstandenen szenischen Bilder und Szenen. All dies immer wieder verzahnt mit vielen Gesprächen und Proben in sehr kleiner Runde, so dass ein Safer Space, aber auch Braver Safe gestaltet werden kann, indem auch die eigene Geschichte und Biografie Raum bekommt und die Künstler*innen der Produktion sich frei und sicher entfalten können. Zumindest ist dies der Versuch und die Hoffnung.

 

Das Gespräch führte Dramaturgin Katrin Michaels.


Das Programmheft zu «blues in schwarz weiss» ist erhältlich an der Theaterkasse, in den Foyers oder als Onlineversion zum Download hier.